Ordinary Bitter: Das kleine englische Bier mit grossem Charakter

Wenn man über Bierstile spricht, denkt man oft sofort an die grossen und komplexen Namen: Imperial Stouts, Double IPAs, belgische Tripels… Und dann gibt es Stile, die eher bescheiden wirken, fast unscheinbar, die aber trotzdem unsere volle Aufmerksamkeit verdienen. Das Ordinary Bitter gehört genau in diese Kategorie.

Trotz seines Namens, der nach „gewöhnlich“ oder „langweilig“ klingt, ist das Ordinary Bitter in Wirklichkeit ein kleines Juwel voller Ausgewogenheit und Tradition. Dieser klassische englische Bierstil entstand in den Pubs Grossbritanniens und wurde vor allem für eins gebraut: gemütliches Beisammensein bei einem guten Gespräch.

Was ist ein Ordinary Bitter?

Das Ordinary Bitter gehört zur grossen Familie der englischen Bitters, die in verschiedene Stärken unterteilt sind: Ordinary, Best und Strong (oder Extra Special Bitter, kurz ESB). Die „Ordinary“-Version ist die leichteste, meist zwischen 3,2 % und 3,8 % Alkohol. Es ist ein echtes „Session Beer“ – man kann also problemlos ein oder zwei Pints trinken, ohne sich erschlagen zu fühlen.

Geschmacklich dominiert der Malzcharakter, mit Noten von Keks, leichtem Karamell oder geröstetem Brot. Dazu kommt eine sanfte, kräuterige Bittere, die typischerweise von englischen Hopfensorten wie Fuggle oder East Kent Goldings stammt. Nichts Lautes oder Übertriebenes, sondern eine subtile und harmonische Komposition.

Ein Bierstil, geprägt vom Pub

Das Ordinary Bitter wurde nicht gebraut, um bei Wettbewerben zu glänzen oder Bierexperten zu beeindrucken. Es war und ist ein Pubbier – gedacht für lange Abende mit Darts, Cricket oder angeregten Diskussionen. Klassisch wird es als Cask Ale ausgeschenkt, also direkt aus dem Fass mit sehr geringer Kohlensäure. Serviert wird es etwas wärmer als das, was wir gewohnt sind – bei etwa 10 bis 12 °C. So kommen seine feinen Aromen besonders gut zur Geltung.

In einer Welt, in der moderne IPAs mit tropischen Hopfenaromen um die Wette buhlen, erinnert das Ordinary Bitter daran, dass ein Bier auch ohne Übertreibung angenehm und spannend sein kann.

Und heute?

Man könnte meinen, dieser etwas altmodische Stil sei längst verschwunden. Aber das Gegenteil ist der Fall: Viele Craft-Brauer – auch ausserhalb Grossbritanniens – entdecken ihn neu. In der Schweiz, in Deutschland oder sogar in den USA experimentieren kleine Brauereien zunehmend mit eigenen Bitter-Interpretationen.

Der Grund liegt auf der Hand: Immer mehr Menschen suchen nach leichten, gut trinkbaren, aber geschmackvollen Bieren. In einer Zeit, in der Session IPAs oder „Table Beers“ beliebt sind, passt das Ordinary Bitter perfekt in den Trend.

Wie geniesst man ein Ordinary Bitter?

Am besten trinkt man es aus einem klassischen englischen Pint-Glas (dem sogenannten „Nonic“-Glas mit der kleinen Wölbung), leicht temperiert. Als Begleitung eignen sich einfache, herzhafte Gerichte: ein knuspriges Fish and Chips, eine deftige Fleischpastete oder ein Stück würziger Cheddar. So entfaltet sich das Bitter in seiner ganzen Eleganz.

Fazit

Das Ordinary Bitter lädt dazu ein, einen Gang herunterzuschalten und Bier wieder als Getränk der Geselligkeit zu erleben – nicht als Wettkampf der stärksten Aromen. Es will nicht laut sein, sondern einfach ein ehrliches Stück Pubkultur vermitteln.

Das nächste Mal also, wenn dir ein „Ordinary Bitter“ über den Weg läuft, probiere es aus. Hinter dem unscheinbaren Namen verbirgt sich ein charaktervolles Bier, bescheiden, aber herzlich – ein Stück britische Tradition, das auch in der Craft-Bier-Welt von heute noch seinen Platz hat.

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